Viele Projektleiter oder -manager (PL/PM) werden schon seit Jahren mit dem Anspruch konfrontiert, schneller und effektiver und näher am Kunden zu sein, aber auch innovative Problemlösungen zu liefern. Entsprechend gab und gibt es immer wieder neue Versuche, mittels neuer Herangehensweisen, pfiffiger Methoden und dem immer wiederkehrenden Mantra von guter Führung und dem „Team-Spirit“ in seiner Bedeutung für effektive Projektarbeit voranzukommen.

Einen Quantensprung schaffte in dieser Hinsicht der sich seit ca. 10 Jahren mit rasender Geschwindigkeit verbreitende „agile Ansatz“. Damit scheinen viele der obigen Erwartungen erfüllbar – so, dass es mittlerweile einen wachsenden Druck in den Unternehmen gibt, nicht nur die Projekte agil aufzustellen, sondern das ganze Unternehmen.

Dies passt zusammen mit dem ebenfalls seit einiger Zeit gehörig an Tempo gewinnenden Umsetzungs-Trend der weiteren „Digitalisierung“, der – ebenso wie der agile Ansatz – die Umorganisation von Firmen provoziert (näher beim Kunden, mehr Transparenz, Entscheidungen an die Basis, weitere internationale Vernetzung) und der gleichzeitig zur Wertsteigerung von Produkten und Dienstleistungen beiträgt oder diese sogar gänzlich neu erfinden hilft (neue Geschäftsmodelle).

Diese Entwicklung trifft auch Projekte, weil sie sich zum einen immer wieder neu sortieren müssen in bezug auf Produkte, Kunden unter Zuhilfe-nahme elektronischer Unterstützung (z.B. collaboration-tools) und weil sie zum anderen qua Definition häufig Innovationstreiber sind und insofern erwartet wird, dass sie neueste Technologien in Produkte und Dienstleistungen „einbauen“.

Beides fordert die PL/PM unterschiedlich heraus:

Im agilen Umfeld ist die Kundenbetreuung und die Übersetzung dessen, was der Kunde will und das Festhalten in sog. User-Stories oft nicht mehr Sache des PL/PM – vielmehr wurde dafür eine neue Rolle, der sog. „ProductOwner“ (PO), kreiiert, die Führungsaufgaben enthält. Gleichzeitig wurde ein Rollen-Set mit Namen „ScrumMaster“ (SM) geschaffen; dieser SM hat im Team auf die Anwendung der agilen Prinzipien und verschiedener damit verbundender Methoden zu achten und übernimmt bisher vom PL/PM ausgeübte Rollen wie z.B. der Teamentwickler, der Konfliktklärer u.ä.

und dann ist noch eine Voraussetzung dieses Settings, dass das Projekt-Team stärker selbst-organisiert arbeitet (was eigentlich nichts Neues ist) und möglichst mit „Freistellung nur für dieses eine Projekt“; damit geht ein Teil der Führungsaufgaben zurück ins Team (z.B. dezentrale Entscheidungs-Fähigkeit).

 

erste Trends zur Zukunft des PL/PM aus Interviews mit PL/head of PM/ PMO-Mitgliedern

Im Rahmen der Fachgruppe „Führen in/von Projekten“ (FiP) der GPM hat Dr. Klaus Wagenhals zusammen mit einem Kollegen im Laufe des Jahres 2018 eine Recherche über 12 Interviews mit Projektmanagern/-leitern, head of PM, PMO-Leitern aus verschieden großen Firmen aus unterschiedlichen Branchen zur Zukunft des PL/PM durchgeführt.

Viele Unternehmen waren vor über 10 Jahren in die „Agile Welt“ eingestiegen – meist bottom up über die Einführung von Scrum in IT-Projekten und mit überwiegend schnellem Anfangserfolg, was dann häufig zur Ausweitung auf weitere Projekte – auch im hardware-Bereich – führte. Dabei war wohl für das „Durchhalten“ bedeutsam, dass das Top-Management das Potenzial des agilen Ansatzes erkannt und sich eher auf die Umsetzung der „agilen Prinzipien“, als auf die Effektivierung der Prozesse konzentriert hatte und dass es erfahrene PL/PM gab, die hartnäckig genug waren und gut erklären konnten, worin der Vorteil liegt dieser Herangehensweise liegt. „Reibungspunkte“ zeigten sich meist erst bei stärkerer Berührung mit der klassisch-strukturierten Organisation im Unternehmen oder auch beim Beharren von Kunden auf bisher übliche Reporting-Verfahren (wir waren überrascht, wie lange dieser „Reibungs-Zustand“ in manchen Firmen ausgehalten wurde). In der durch unser Interview angeregten Reflexion wurde häufig von Naivität bzgl. der berührten Probleme und der Unvorbereitetheit auf diesen „Change“ gesprochen.

Für die Frage, wie denn die Zukunft des PL/PM vor dem Hintergrund dieses „Umbaus“ in der Projektlandschaft zu bewerten sei, drängt sich aus den Interviews die Unterscheidung zwischen Großen Projekten (d.h. mehrere Jahre Dauer, viele Mio. Euro Investitionssumme) und Kleinen Projekten (z.B. 1 Jahr und weniger Dauer, höchstens 1 Mio Euro Budget):

Große Projekte sind aufgrund ihrer Bedeutung für die Firma häufig bei den Divisionsleitern aufgehangen oder direkt bei der GF bzw. einem Management-Board – dort bleibt der PL/PM die generell verantwortliche Figur, teilweise auch mit shared leadership (kaufmännische und technische PL); agile Ansätze findet man dort eher in Teil-Projekten, wo dann die Teil-Projektleitung durch SM oder PO ersetzt wird (Bsp.: Aerospace, Maschinenbau). In mehreren dieser großen Projekte wird die Supportarbeit schon länger auf internes oder externes Support-Personal ausgelagert. Die werden dann durch die weitere Digitalisierung betroffen sein, was wiederum neue Anforderungen an den PL/PM stellen wird.

Kleinere Projekte arbeiten viel häufiger mit dem agilen Ansatz; diese Projekte sind teilweise in Abteilungen oder Bereichen aufgehangen, teilweise aber auch beim Portfoliomanagement oder beim Head of PM. In mehreren Fällen werden die Agil-teams von einem PO oder PMO betreut – für den SM gilt gleiches; berichtspflichtig sind sie teilweise wie gehabt an die Abteilungsleiter-Runde oder Beauftrager-Runde (was zur „Umarbeitung von Berichten“ führt), teilweise aber entfällt diese klassische Berichterstattung und erfolgt dann in one-pagern „nach ganz oben“ (Energie, Mischkonzern).

Bei dem einzigen Plattform-Unternehmen, das wir untersucht haben, gibt es eine klare Unterscheidung zwischen agil und hybrid (mit klassisch-Anteilen): agil sind alle Projekte, die sich aus dem Tagesgeschäft ergeben und weniger als ein Jahr dauern (man muß sich mit seiner Idee bei einem Board bewerben, das dann ein erstes Budget gemehmigt oder eben nicht); gemischt=hybrid sind alle größeren, längeren, die ganze Company übergreifenden Projekte inkl. der Projekte, die ein neues Geschäftsmodell aufgreifen (wollen). Das Management-Board arbeitet aber daran, konsequent die agilen Prinzipien im gesamten Unternehmen umzusetzen.

Eine weitere Unterscheidung scheint wichtig zu sein für die Klärung der Zukunft von PL/PM:

  • Projekte in hoch-regulierten Branchen (Pharma, Medizintechnik, Flugzeugindustrie u.a.) sind geprägt von Kundenprojekten mit strikten Vertragsvorgaben bzgl. Zeit, Kosten, Qualität und klassisch-hierarchischen Strukturen (z.B. Bund als Auftraggeber) und tun sich daher mit dem agilen Ansatz schwer – es gibt dort häufig noch einen PL/PM, der auf der „Zwischen-Ebene“ für die jeweilige Übersetzung von Begriffen, Vorgehensweisen usw. steht und die akzeptierte Abarbeitung der Regeln gewährleistet („wir können spinnen und was Neues probieren – es muß aber irgendwie in die vorgegebenen Strukturen/ Regeln passen“). Abgeforderte Dokumentationen, Nachweisführungen, Vorschriften für Projektdurchführung und Reporting müssen trotzdem vorhanden sein oder akzeptiert ersetzt werden.

Aber trotz aller Zurückhaltung und teilweise auch Ablehnung gegenüber dem agilen Ansatz gibt es auch in diesen Branchen mutige Leute: wir fanden 2 Konzerne, die trotz der obigen Einschränkungen mit dem agilen Ansatz experimentieren – insbesondere auf Teilprojekt-Ebene. In einem Fall gelang es sogar durch hartnäckige Detail-Arbeit und „Beruhigungsmassnahmen“ des Managements den auftraggebenden Konzern dazu zu animieren, seine Strukturen und Vorgaben an die agile Projektabwicklung anzupassen.

Anhand dieser Beispiele wird deutlich, wo die neuen Herausforderungen für die noch weiter existierenden PL/PM liegen: eher im Bereich „Chancen erkennen“, „Entrepreneurship übernehmen“, „begrenzte Experimente zulassen und überwachen und wieder beenden, wenn sie keine Problemlösung im Sinne des Projekts bringen“, „interessante Kontakte aufbauen und pflegen“, „Eigentumsrechte schützen bzw. überwachen“, „etwas von Change verstehen“ u.ä.

  • Projekte in eher weniger regulierten Branchen (IT, Medien, Energie, …) gehören meist zu den „Pionieren“ des agilen Ansatzes und haben nach ersten Erfolgen schnell erweitert auf weitere Projekte – auch über die IT hinaus. Dort wurde dann auch weiter experimentiert mit Scrum of scrums u.a. übergeordneten Rahmen-Vorgehensweisen – auch weil die Kunden mitmachen und deutliche Erfolge erzielt worden sind.

Meist wurden /werden die PL/PM dort auch schneller in die Veränderung einbezogen und mit den neuen Rollen SM und PO konfrontiert – häufig war der Ausgangspunkt für die Veränderung entweder die Entsendung eines PL/PM auf eine Scrum-Schulung oder die bottom-up-Initiative einiger PL/PM, die anregten, nach agilen Regeln zu arbeiten; häufig war dies vom Top-Management gedeckt -auch wenn´s Probleme gab. Allerdings ist die Erweiterung auf mehr Projekte eher gescheitert, wenn man´s alleine probiert hat – also gab es viele Firmen, die sich vom Markt mit ScrumMastern oder „agile Coachs“ versorgten, um die ersten Schritte einigermassen sicher gehen zu können und die parallel dazu eigene Fachleute aufgebaut haben. Diese sind heute meist verantwortlich für viele agile Projekte gleichzeitig und heissen nicht mehr PL/PM, sondern „agile Coach“ oder „Transformer“ oder … Gleichzeitig war in diesen Branchen auch die Vielfalt der Entwicklungsmöglichkeiten für PL/PM am größten: dort gab es ehemalige PL/PM, die Innovatoren wurden oder ins PMO gewechselt haben oder auf die Produkt-Manager-Ebene versetzt wurden.

Fazit und erste Schlußfolgerungen zu den nötigen Kompetenzen/ Handlungsspielräumen

Aus dieser Recherche ist also noch kein klarer Trend, wo die Reise für den PM/PL hingeht, abzuleiten. Auf jeden Fall wird sich das bisherige Rollen-Set des PL/PM neu ordnen und viele seiner Führungsaufgaben werden sich in der Projekt-Organisation und darum herum neu verteilen (gemäß dem Konzept „shared leadership“ und „servant leader“). Bei gleichzeitiger Reduzierung von Hierarchiestufen in den Unternehmen, wird es weniger um „Aufstiegsmöglichkeiten“ gehen, als vielmehr darum, sich einen neuen Platz in einem anderen, interessanten „Rollen-Set“ zu suchen. Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen durch den Einsatz von immer mehr collaborative tools und auch KI-unterstützter Problemlösung und Reviews an ihn – egal, wo er hinwechselt (dazu später mehr – wir haben nämlich in unserer Fachgruppe auch dazu geforscht).

Insofern werden PL/PM gut daran tun, sich in dieser „Gemengelage“ klar zu werden, welches die eigenen Potenziale und Interessen sind, wohin die berufliche Neugier treibt und welche Entwicklungen am ehesten zukunftsweisend zu sein scheinen – mit dem nötigen Support von seiten der Entscheider bzw. der Strategen.  Wir empfehlen, sich hierfür entweder einen Coach zu organisieren oder aber in ausgewählte Veranstaltungen zu gehen, die diese Thematik offen aufgreifen und eine Meinungsbildung bzw. Positionsfindung ermöglichen (z.B. bei HAUFE das Seminarangebot 29.30 „Re-thinking PL…“).

würde mich sehr freuen, wenn Sie Fragen dazu formulieren oder Ihre eigene Sicht bzw. Erfahrung einbringen würden. viele Grüße und schönes Wochenende, KW

 

 

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