Reflexion unserer Change-Erfahrung – Thesen zu unserem Buchbeitrag in: „ChangeManagement Workbook für Entscheider“ hrsg. Von Lang/Wagner, erschienen im Juni 2020 im Hanser-Verlag)

Seit vielen Jahren erfahren wir zusammen mit unseren Kunden (vorwiegend kleinere und mittlere Unternehmen oder Abteilungen von größeren Konzernen), den ständigen Druck, sich zu verändern mit den immer gleichen Begründungen: das Tempo am Markt, die sich ständig ändernden Bedürfnisse der Kunden, die zunehmende internationale Konkurrenz lasse keinen Stillstand zu und provoziere Beschleunigung, Kostenreduzierung, neue Produkte/Dienstleistungen, mehr Vernetzung und Nutzung derselben, mehr Intrepreneurship bei den Beschäftigten, einen anderen Führungsstil mit stärkerer Einbeziehung der Beschäftigten.

Die dahinter steckenden Motive sind vielfältig und oft von den Beteiligten nicht oder nur schwer nachvollziehbar: was genau soll warum verändert und wie soll das umgesetzt werden? Vielfach fehlt es an Klarheit und an Überzeugungskraft der Botschaften, vielfach aber auch an der Akzeptanz bzgl. Der Motive, wenn es nur darum geht, dass ein paar shareholder eine höhere Dividende haben wollen oder wenn nicht klar wird, wie denn die weitere Kostenersparnis erreicht werden soll, wenn alle schon in der letzten Runde „Ihr Bestes“ gegeben haben und alle wissen „weiter sparen bringt die Firma nicht weiter“. Das sind alles Punkte, an denen man die Beschäftigten und Ihren Mut, Ihre Hartnäckigkeit, Ihr Durchhaltevermögen zu verlieren droht.

Wir haben das erlebt bei einer IT-Tochter eines größeren Konzerns, als zum Jahresende – nach 4 Sparrunden – immer noch 7 Mio Euro gefehlt haben und die GL erst durch einige Fachleute und den BR dazu gebracht wurde, über ihr Spar-Konzept nachzudenken und es mit einer Veränderung in Richtung besserem Kunden-Service und einer anderen Führungskultur zu verknüpfen.

In diesem Beispiel steckt nicht nur die Kritik an den wohlbekannten, häufig sehr verkürzt gedachten Management-Konzepten, sondern auch an der Überschätzung dessen, was das Management wissen kann und soll – wie man grade am Beispiel von Corona ganz praktisch erfahren konnte. Man weiss oder spürt, dass es einen Change braucht, man weiss aber noch nicht genau, wo er hingeht/hingehen soll und wie seine Schritte konkret aussehen werden/ sollen.

Eine Lösung wäre – wie in letzter Zeit häufig erlebt – sich als Führungsperson klar zu werden, was man nicht weiss und was man insofern nicht „im Griff“ hat und diese Einsicht auch öffentlich zu bekunden. Damit verbunden ist natürlich die Akzeptanz von seiten der Geführten, dass das, was sie bisher in die Führungspersonen an Erwartungen hineininterpretiert haben, so nicht zutrifft und sie sich auch selbst bewegen und nach Lösungen suchen müssen. Vielleicht ist dies bereits ein Paradigmen-Wechsel in den Unternehmen: dass beide Seiten erkennen und auch das Vertrauen dazu haben: wir brauchen uns gegenseitig, um hier weiterzukommen.

Wenn das Management in die Falle „wir wissen alles“ oder „haben alles im Griff“ läuft, passiert noch was Fatales, das die Sicherheits- oder Klarheits-Illusion völlig zerstört: weil Beschäftigte ja auch merken, ob und wann ein Change in der Vergangenheit gelungen ist, glauben sie weder an das Ziel noch an den Weg („hat man schon früher probiert und ist gescheitert“) – und schalten ab/tauchen weg.

Also braucht es einerseits die Bereitschaft, bisherige Change-Projekte oder Prozesse kritisch zu hinterfragen – und zwar so, dass es die Belegschaft mibekommt – und daraus Schlüsse zu ziehen, wie denn künftig, Change-Notwendigkeiten festgestellt, begründet, mit einem emotional-besetzten Ziel verbunden und Wege dorthin festgelegt werden können. Wenn Change erfolgreicher werden soll, dann brauchen Manager deutlich mehr Reflexionsraum und ehrliche, erfahrene Sparringspartner und keine „Konzeptverkäufer“.

Und Sie brauchen andererseits mehr Mut und Selbstvertrauen und ein qualifiziertes, werte-getriggertes Team, um einfach losgehen zu können, ohne das Ziel genau zu kennen und den Weg auch nur in Umrissen zu erahnen. Dazu gehört eine glaubwürdige Botschaft zum Sinn und Zweck des Change, zur Rolle und Bedeutung der Beteiligten und eine Idee zur Gestaltung des Prozesses.

Diese Gestaltung des Prozesses setzt noch etwas Grundlegendes voraus: ein Denkmodell von Organisation, in dem davon ausgegangen wird, dass es sich bei jedem Unternehmen um ein soziales System mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten handelt: dort muß man nicht unbedingt mühevolle Aktivitäten starten, um einen Change anzustossen oder gar durchzusetzen, sondern man kann lernen dem System zuzuhören und Signale zu empfangen, wo sich ein Change ankündigt bzw. notwendig wird – weniger getriggert durch „den Markt allgemein“, die Wettbewerber oder Berater, die ein neues Konzept verkaufen wollen, sondern getriggert durch den Kunden und die Mitarbeiter.

Damit verbunden ist das Zutrauen gegenüber den Rollen- und Kompetenz-Trägern, dass sie diesen Prozess mitgehen und die ihnen übertragende Verantwortung übernehmen. „Dahinter“ stehen ein paar Grundsätze und Bilder zu dem Verhalten von Menschen, von sozialen Systemen, zu Grundlagen von change-Prozessen, verteilter Intelligenz und Führung usw., die man sich als Change-Verantwortlicher vielleicht immer mal wieder klarmanchen und mit seinen Mitarbeitern besprechen und ggf vereinbaren sollte.

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