Beitrag zur Blogparade des projektmagazins #weiterbildung-zukunft

Das projektmagazin hat zu einer Blogparade aufgerufen zu dem spannenden Thema „Digitale Weiterbildung: Übergangslösung oder Zukunft“ #weiterbildung-zukunft Daran wollen wir uns gerne beteiligen, weil wir von metisleadership

  • einerseits schon lange mit dem Thema zu tun haben Weiterbildung für Unternehmen verschiedener Größenordnungen designen und durchführen zu müssen/ zu sollen, die oft wenig prozessorientiert und in den augenblicklichen Arbeitszusammenhang integriert ist,
  • andererseits spätestens seit Beginn der Pandemie – aber eigentlich auch schon vorher – selbst gezwungen waren, unsere relativ vielschichtigen Inhalte in elektronisch unterstützte Bausteine für das Lernen auf digitale Plattformen zu übersetzen, die nicht nur im Austausch z.B. in Kleingruppen unter Verwendung von Texten und Beispielen der Teilnehmer*innen, zu bearbeiten sind, sondern auch im Rollenspiel oder in anderen Settings „auf der Bühne“ erlebt werden sollen.

Für eine prozessorientierte und in den Arbeitsfluß besser integrierte Weiterbildung – digital unterstützt

Interessanterweise beobachten wir in unseren Beratungsfällen und auch wenn wir aufgefordert werden einige Workshops zu ausgewählten Lerninhalten zu entwickeln und durchzuführen, dass in vielen Projekten eine wesentlich deutlichere Verkopplung von Projektsituation, für die man eine Lösung sucht oder in der sich ein Problem – z.B. mangelnde Konfliktfähigkeit Einzelner – gezeigt hat und schnelle zur-Verfügung-Stellung von dazu passenden Inhalten im Rahmen einer online-Veranstaltung – ob webinar oder Austausch-Workshop oder kleine Qualifizierungs-Werkstatt mit Erprobungscharakter. Das wäre in der Welt vor Corona nur in Ausnahmefällen bzw. in großen, internationalen Projekten, die eh schon lange online zusammenarbeiten, möglich gewesen – u.a. natürlich deshalb, weil – wie schon im initialen Blogbeitrag des projektmagazins erläutert – viele Beteiligte durch dieses schnelle Umschalten von analog auf digital schlicht überfordert gewesen wären (auch Trainer/ Berater) und weil eine Weiterbildung zu einem im Projektgeschehen „aufpoppenden“ Thema von der Beantragung mit Begründung und Genehmigung durch den Vorgesetzten und ggf der Personalabteilung frühestens in einem halben Jahr – und dann vielleicht noch in einem klassischen Setting – zur Verfügung gestanden hätte. Ganz davon abgesehen, dass man nirgendwohin reisen muß, dass es billiger ist usw. Also 100 Punkte für die Integration von digitaler Weiterbildung in den auch an anderer Stelle digital unterstützten Job.

In der obigen Beschreibung werden einige Voraussetzungen mitgedacht, die ich nochmal deutlich hervorheben will

  1. der Lerner/ die Lernerin und/oder die Team-Mitglieder inkl. der Führungsperson müssen merken, dass bestimmte Inhalte, Zusammenhänge, Fakten usw. nicht geläufig sind und dass dies ggf ein Hinweis auf die Qualifizierungsnotwendigkeit ist. Darin enthalten ist die weitere Voraussetzung, dass die Person(en), bei der/denen grade Wissens-/ Erfahrungsdefizite festgestellt worden sind, das vor sich selbst und dem Team zugeben und entsprechende Lernbereitschaft signalisieren können (Selbstbewußtsein)
  2. die Führungsperson sollte hier aus der Rolle „Personalentwickler“, „Coach“, ggf „Mentor“ für die Team-Mitglieder agieren und eine entsprechende Qualifizierungsnotwendigkeit feststellen, klären und dann im Einverständnis festlegen; sie muß ggf auch dafür sorgen, dass sich Lerner*innen aufgrund der Vielfalt der online-Angebote nicht „verdaddeln“
  3. es braucht eine Einschätzung der Beteiligten dazu, ob man das WEiterbildungs-Thema „on-the-job“ – also über vormachen durch Erfahrene, probieren, … – vermitteln kann oder ob man es aufteilen kann/ sollte in Praxis- und Theorie-Teil und ob diese Aufteilung in den Arbeitsablauf integrierbar ist (z.B. indem „on-the-job“ erprobt und in der Retrospektive ausgewertet und „theoretisiert“ werden kann). dafür benötigen Lerner*innen Unterstützung

So wünschenswert diese angedeutete „Verschränkung“ von Arbeitssituationen und Lernen ist – u.a. auch weil Lernen nachweislich auf diese Art und Weise am erfolgreichsten stattfindet (weil „hirngerecht“) – so schwierig ist sie umzusetzen, weil wir in unserer Arbeits- und sogar Projektwelt daran gewöhnt sind, dass Lernen, weil es Zeit kostet, – zumindest ab einer gewissen Menge bzw. Komplexität des Themas – „ausgelagert“ wird. Wir hoffen allerdings, dass in Zeiten der zunehmenden Agilisierung und weiteren Digitalisierung dieses Zusammenwachsen von Arbeiten und Lernen so stark forciert wird, dass drastisch deutlich wird, wie wichtig genügend Raum zum Austausch und Lernen ist, genügend Gelegenheiten sind, wichtige Erfahrungen und Fehler zu machen, hilfreiche Methoden beherrscht werden, mit deren Hilfe eine wirkungsvolle Reflexion für die verschiedenen Lern-Ebenen gelingt. Ergänzend braucht es dafür Mut für das Zulassen von Fehlern und Offenheit für ehrliches Rückmelden, für kritischen Austausch und auch Hartnäckigkeit für das Erproben neuer Wege.

In diesem Sinne müssen auch die teilweise schon lange verwendeten Formate (wie z.B. Reviews oder jetzt im agilen Projektgeschäft die Retrospektiven) -jenseits der Frage, ob sie nun digital unterstützt oder im analogen Stehkreis durchgeführt werden – nach wie vor klug in den Projektablauf integriert und so gestaltet werden, dass sie wirklich hilfreiche Reflexion auf allen Ebenen (also nicht nur prozess-,struktur-, Technik-, sondern auch Team-Ebene und die Ebene der persönlichen Weiterentwicklung) ermöglichen und die sich daraus ergebenden Insights alle Beteiligten gut verarbeiten und das nächste Mal besser machen können – bis hin zur Einspeisung in einen KVP-Prozess oder laufende Change-Prozesse zur Optimierung der Projekte/ des Portfolios.

Diese Klarheit vermisse ich häufig in den viel-zitierten Anforderungskatalogen an SM, PL/PM, „agile Coachs“ o.ä. Führungspersonen im agilen Projektumfeld (das gehört nämlich zu den Rahmenbedingungen, die von „agiler Führung“ zu gestalten sind).

Für eine bessere methodisch-didaktische Aufbereitung der Lernthemen im Sinne zukunftsweisender embedded learning-Konzepte

Ich bin sehr mitfühlend beim Lesen des Beitrags von Herrn Scheer gewesen, weil ich das selbst sehr gut kenne und weil ich mir dann auch schon mal überlegt habe, ob sich dieser Aufwand der Übersetzung von Präsenzseminar-Inhalten in digital abbildbare Module für eine online-Weiterbildung (mit Workshop-Charakter) lohnt. Mal ganz davon abgesehen, dass ich selbst die letzten 2 Jahre eine Menge gelernt habe – vom geschickten Bedienen verschiedener Plattformen bis zum Einsatz unterschiedlicher Tools mit wirklichem Mehrwert für die Teilnehmer*innen – erlebe ich immer wieder Erstaunen, das Menschen, die meine webinare und digitalen Workshops besuchen, äußern, wenn Sie erleben, was man mittlerweile in diesen Formaten, teilweise auch in hybrider Form, bearbeiten kann.

Die Chance digital-gestützter Weiterbildung liegt m.E. darin, sich zu überlegen, wofür benötige ich die Präsenz und was geht (mittlerweile) auch online? Ich glaube, es ist unbestritten, dass sich ein Kick-off eines Projekts mit allen seinen nötigen Facetten des Kennenlernens (und des gegenseitigen Wahrnehmens mit allen Sinnen), der „Seiten-Gespräche“, des Austauschs über seine jeweiligen Projekterfahrungen, das praktische Erleben in der Darstellung der Zielelandschaft im Raum, der Rollentausch in der Stakeholder-Analyse usw. in einem Präsenz-meeting weit besser durchführen und in der Erinnerung verankern lässt, als alles, was bis jetzt online möglich ist (zu einer Avatar-getriggerten Veranstaltung kann ich noch nichts sagen).

Online geht vieles, was wir in den letzten Monaten alle schon erlebt haben: meetings zum Austausch von Projekt-Ständen/ Scope-Abgleiche, Problemlösungs-Workshops mit dynamic facilitation oder anderen Werkzeugen/ Vorgehensweisen, Ideensammlungen zur Gestaltung einer whatsapp, design-thinking-workshop zur Generierung erster Produktgestalten usw.; witzigerweise greifen viele meiner Gesprächspartner*innen eher zu MS-Teams, Zoom o.a., um mich eine halbe Std. zu sprechen, als zum Telefon, weil man die Reaktion des Anderen sieht oder weil man schnell einen ersten Entwurf teilen kann; andere, die meist viel-Video-meeter sind, telefonieren lieber, weil sie dabei aufstehen und auf den Balkon gehen können oder weil sie schlicht ihre Augen ausruhen wollen.

Wenn man sich nun vor obigem Hintergrund damit beschäftigt – wie wir das als metisleadership aufgrund unserer Geschäftsschwerpunkte tun (müssen) – wie unsere Themen wie z.B. „Rethinking Führung im agil-digitalen Projektumfeld…“ möglichst menschlichem Lernen gerecht werdend aufbereitet sein müssen, um online vermittelt werden zu können, dann kann man sich an der folgenden Auswahl an Erkenntnissen entlang hangeln:

  1. Reflexion braucht eine Verknüpfung mit bereits vorhandenem Wissen und tief abgespeicherter Erfahrung (wir haben sog. „Einordnungs-Folien“ zur Verfügung)- für das Lernen sind aber andere Blickwinkel, andere Bewertungen nützlich; für unbekannte Situationen/ Krisen braucht es einen B-Plan und selbstsicheres Erproben intuitiv gefundener oder von anderen empfohlener, neuer Wege.

Wir haben dazu eine systemische „Draufschau“ („big picture“) auf das Projekt in „seinem“ Unternehmen entwickelt mit der Anregung,  die dort durch den Teilnehmer erlebten (oder geahnten) Herausforderungen zu sammeln; diese werden dann durch die Brille der anderen Teilnehmenden gesehen und interpretiert – schon daraus ergeben sich oft neue Erkenntnisse

  1. Am besten lernen wir, wenn Neues erprobt wird durch Handeln (action-learning, Eigen-Projekte, u.a.); es braucht aber Feedback und Wiederholungen;

Das haben wir so umgesetzt, dass wir ein Übungsmodul erarbeitet haben, in dem die Teilnehmenden die Gelegenheit haben, entlang einiger vorher gesammelter Grundsätze „agiler Führung“ in break-out rooms anhand eines Beispiels aus ihrer Projektwelt eine Situation darzustellen, in der einer oder mehrerer dieser Grundsätze zur Anwendung kommt; diese Situation wird dann im Rollenspiel erprobt und dann auf mehreren Ebenen ausgewertet.

  1. Lernen ist ein sozialer Akt (Hüther, Singer u.a.); insofern müssen die eingesetzten medien und die für deren Handhabung definierten Regeln es zulassen, dass man sich zumindest über den Bildschirm sieht, dass man – weil vieles nicht direkt sichtbar ist – mehr äußert (z.B. welches Gefühl grade aufkommt) usw., dass ein gut moderierter Austausch stattfindet, dass also Erfahrungen stehengelassen werden können, dass Formulierungen gefunden werden, die niemanden herabsetzen usw. und dass das Potenzial des Austauschs mit verschiedenen Sichtweisen, Einschätzungen, Erfahrungen, Kompetenzen, Potenziale auch wirklich erlebbar wird. Die vielerorts noch anzutreffende Wissensvermittlung (Behaltens Quote liegt bei ca. 12%) schränkt also die Wahrnehmung unzulässig ein – wenigstens die emotionale Bewertung von Informationen sollte deutlich geäußert werden, weil dies u.a. für Entscheidungsfindung wesentlich ist.
  2. Selbstorganisiertes Lernen muß gelernt werden und braucht passende mediale, aber auch persönliche Unterstützung (z.B. durch einen Lern-Coach)– sonst erzeugt dieses Lernen Stress. Wir bauen also unsere Kurse – wenn es geht in Abstimmung mit Führungspersonen und/ oder Personalentwicklern – so auf, dass das lernen unserer Inhalte in eine praktische lebens- bzw. Veränderungssituation eingebaut ist, dass sich der Lernende selbst – ausgehend von seinen Herausforderungen – konkrete Lernschritte in seiner eigenen Entwicklungsreise vornimmt und wir telefonieren nach ca. 3-4 Monaten nach, um Erfolge/ Misserfolge auszuwerten. Wenn´s besonders gut läuft, ist der Kurs mit dem Chef abgesprochen und dieser wertet mit dem Lerner das Gelernte aus bzw. begleitet in der Anwendung. Dafür bräuchte es oft passende online-Unterstützung – wir sind daher dazu übergegangen ein online-Coaching dazu anzubieten. Besser wäre noch, wenn man z.B. Rollenspiel-Sequenzen filmen und zur Erinnerung wieder abrufen könnte.
  3. Unser Gehirn liebt ständige Herausforderungen (Spitzer, 2003). Insofern arbeiten wir mit viel Abwechslung (z.B. mit dem Einsatz verschiedener digitaler Tools – die aber alle einen konkreten Zweck erfüllen müssen – oder mit Filmsequenzen) und haben zu Beginn der Nutzung digitaler Plattformen auch diese Situation – um vom dauernden Jammern über das suboptimale Technikequipment wegzukommen – als lernsituation („Metablick“) definiert, aus der man was für die Zukunft ziehen kann.

Natürlich gibt es neben diesen 5 Punkten noch andere wichtigen Erkenntnisse zu den Ergebnissen der Neurowissenschaften, der Psychologie usw.  – das würde aber den Rahmen eines Blogs sprengen. Wir hoffen aber, dass diese Punkte genügen, um deutlich zu machen, worin die besonderen Anforderungen bestehen, wenn man digitale Medien und entsprechende Software in der Weiterbildung einsetzt. Diese mit immer wieder neuen Ideen, didaktisch-methodisch zukunftsweisenden Ansätzen, Geräten und Software-Produkten zu beantworten und so die oben angesprochene Kombination von analogem und digital-unterstütztem Lernen voranzutreiben und letztendlich damit auch zur lernenden Projektlandschaft bzw. Unternehmen beizutragen, treibt uns und wahrscheinlich viele andere Kolleg*innen an. Daher haben wir zur Vertiefung dieses Themas einen WS konzipiert, der am 21./22. November 2022 unter dem Titel „anderslernen“ – jenseits von „best practices“ wirkungsvoller werden“ über das Bildungsprogramm der GPM angeboten wird (Anmeldung s. dort ab mitte April). Sie sind herzlich eingeladen dort meine obigen Einschätzungen und Anregungen zu diskutieren und sich am gemeinsamen Weiterlernen zu beteiligen.